Neuerscheinung: Die Zisterzienser. Konzeptionen klösterlichen Lebens.

Ordensgeschichte 2017-03-14

Die Zisterzienser. Konzeptionen klösterlichen Lebens. Hrsg. von Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Red. Joachim Werz. Hardcover. Schnell & Steiner (Regensburg 2017). Abbildungen und Karten. ISBN 978-3-7954-3194-5. EUR 24,95.

Der Tagungsband umfasst die Vorträge des wissenschaftlichen Kolloquiums „Spiritualität, Kunst und Wirtschaft. Zisterzienser im Barock“, das von 26. bis 28. April 2013 im Kloster Schöntal stattgefunden hat und von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden Württemberg, dem Hohenlohekreis und der Gemeinde Schöntal in Kooperation mit der Charte européenne des Abbayes et sites Cisterciens veranstaltet wurde.

Dem Vorwort von Georg Kalckert, Vizepräsident der Charte européenne des Abbayes et sites Cisterciens, folgt der Einleitungsbeitrag von Joachim Werz, der für die Konzeption und Redaktion des Tagungsbandes verantwortlich zeichnet. Werz, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Universität Tübingen tätig ist, greift kurz den Titel des Bandes auf und bringt – nach einem einleitenden Zitat von Max Weber zur Bedeutung monastischer Askese im Kontext seiner Überlegungen zur protestantischen Ethik – eine Übersicht der im Band enthaltenen Aufsätze, die unterteilt sind in die Themengebiete: I. Zisterziensische Konzeptionen monastischen Selbstverständnisses, II. Einflüsse und Variablen, III. Aus(sen)wirkung und Repräsentation, IV. Ideal und Wirklichkeit. Er schließt mit einem schönen Schlusswort: „In den Bibliotheken und Archiven warten zahlreiche Schätze, die gefunden und untersucht werden wollen. Vielleicht kann dieser Band neben der Vermittlung von Wissen dazu beitragen, dass die Neugier zur Erforschung dieses europäischen Ordens bestärkt oder gar geweckt wurde.“ (S. 16).

Pfarrer Georg Kalckert (Abtei Heisterbach) eröffnet den Reigen der Aufsätze mit einer Einführung in das Tagungsthema bzw. einer historischen Beleuchtung des Zisterzienserordens. Er thematisiert die Intention des Ordens, die Gründung von Cîteaux, die Bedeutung von „ora et labora“/“Gebet und Arbeit“, erklärt kurz die für den Orden wichtige Exemtion und geht dann auf verschiedene Themen wie „Einheit von Arbeits- und Lebensraum“, „Schöpfer und Geschöpf“ oder „Konsequenzen des Glaubens an den Gottmenschen Jesus Christus“ ein.

P. Wolfgang Buchmüller aus dem Stift Heiligenkreuz beschäftigt sich als Professor der Spirituellen Theologie und Ordensgeschichte in seinem Aufsatz mit Fragen wie der „Frage nach dem Menschen als eine Frage nach Gott“, der „Frage nach dem wahren Glück“ und mit mystischen Fragestellungen rund um die Askese benediktinischer und zisterziensischer Mönche.

Die im Landesmuseum Württemberg tätige Kunsthistorikerin und Restauratorin Elisabeth Krebs (Stuttgart), die an einer Dissertation mit dem Titel „Oberdeutsche Äbte-Appartement der Zisterzienser um 1700-1802“ arbeitet, blickt in ihrem Aufsatz „in das Tugendherz“ des Salemer Abtes Emmanuel II. Sulger (reg. 1680-1698), indem sie sich mit dessen Huldigungsgemälde beschäftigt. Krebs befasst sich im ersten Teil nicht nur mit der Person Sulgers sondern auch mit seinen Insignien (Pektorale und Abtsring) und seinem Wappen. Der schön gestaltete Beitrag bietet durchwegs reiches Bildmaterial, auch dann, wenn sich die Autorin noch der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Herzdevotion sowie Allegorien, Tugenden und Idealen widmet. Sie schließt mit einer Beleuchtung der Komposition, des Künstlers (Lienhardt) sowie der Bildfunktion.

Joachim Werz, Konzeptionist und Redakteur des Tagungsbandes, befasst sich in seinem Beitrag „Eine konfessionalisierte Zisterzienserbibliothek“ mit dem 177 Bücher (173 gedruckte Werke und vier Inkunabeln) umfassenden Bestand des Klosters Schöntal, der sich heute in der Königlichen Handbibliothek des Tübinger Wilhelmsstifts befindet (Schöntal wurde 1802 durch das Königshaus Württemberg säkularisiert). Er hat diese Bücher nach eigener Durchsicht des gesamten Bestandes (25.000 Bände) Schöntal zugeordnet und damit die Angaben von Gerhard-Peter Handschuh aus den 1960er-Jahren (148 gedruckte Werke und 2 Inkunabeln) falsifiziert. Besonders hilfreich ist die im Anhang beigefügte Liste aller Bücher inklusive Angaben zu Signatur, Titel, Autor, Ort und Jahr (S. 79-83).

Frank Kleinehagenbrock, seit 2016 Geschäftsführer der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, widmet sich in seinem Beitrag den Krisen und Entwicklungspotentialen des Klosters Schöntal in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der Historiker beginnt mit den allgemeinen Entwicklungen dieser Zeit und ihren Auswirkungen auf das Kloster Schöntal, um dann auf die Rolle des Klosters in der politischen Landschaft der Frühen Neuzeit einzugehen und mit der Wirkung des Dreißigjährigen Kriegs auf das Kloster zu enden.

Ebenfalls mit dem Dreißigjährigen Krieg beschäftigt sich Martin Ehlers, Stadtarchivar von Maulbronn. Er zeigt das Thema anhand der Abtei Maulbronn auf, die nach dem Dreißigjährigen Krieg säkularisiert wurde; letzter katholischer Abt Maulbronns war Bernardin Buchinger (reg. 1642-1648). Gegen Ende weist Ehlers noch auf Österreichische Exulanten und Schweizer Einwanderer hin, die in der Umgebung von Maulbronn angesiedelt wurden (S. 106-108) und schließt seinen Beitrag mit einer nie aufgeklärten Spukgeschichte rund um einen „bösen Geist“ im Kloster Maulbronn ab.

Benjamin Greiner (Universität Würzburg) beleuchtet in seinem Beitrag die Herrschaft des Klosters Schöntal im 17. und 18. Jahrhundert. Greiners überaus genau erarbeiteter Beitrag bietet einen schönen Überblick über die Jurisdiktionsrechte eines Klosters in der Frühen Neuzeit und steht damit auch exemplarisch für andere Klöster. Am Ende seiner Ausführungen visualisiert der Autor noch das direkte Territorium des Klosters Schöntal um 1700 anhand einer zeitgenössischen Übersichtskarte aus den Beständen des Landesarchivs Baden-Württemberg – Staatsarchiv Ludwigsburg (S. 123); den Geltungsbereich des Jurisdiktionsbuches um 1703, die Ortschaften, in denen das Kloster um 1735 den Kleinen Zehent einhob sowie die Ortschaften, die im Index eines Einnahmeregisters 1650-1716 stehen, bilden im Anschluss Stepmap-Karten ab (S. 125-126).

Domorganisist Johannes Mayr (Stuttgart) stellt in seinem Aufsatz die (noch und nicht mehr existierenden) barocken Orgeln in den süddeutschen Zisterzienserklöstern Schöntal, Ebrach und Salem (inkl. Farbbildern) vor.

Der Musikwissenschafter und Informatiker Stefan Morent von der Universität Tübingen untersucht in seinem Beitrag die musikalisch-liturgischen Fragmente aus den Zisterzienserklöstern Herrenalb und Schöntal, die heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt werden. Er liefert neben einer exakten Beschreibung der Fragmente (S. 137-144) erfreulicherweise auch mehrere schöne Bildbeispiele.

Der Heiligenkreuzer Stiftsarchivar P. Alkuin Schachenmayr berichtet von drei typisch untypischen Zisterzienserwallfahrten in der Frühen Neuzeit: Birnau (Salem), Rosenthal (St. Marienstern) und Via Sacra (Lilienfeld). Er beschreibt zunächst die einzelnen Wallfahrten und wirft abschließend noch einen Blick auf einige Katakombenheilige, beispielsweise den Hl. Justin in Lilienfeld. Am Ende seiner Ausführungen liefert der Autor folgende Antwort auf die Frage, ob Zisterzienserwallfahrten denn anders seien als die anderer Orden: „Ja, wenn man sie mit volksnahen Orden wie Franziskaner oder Jesuiten vergleicht. Die anderen Orden waren volkstümlicher, ihre Ideale waren einfacher zu vermitteln und für breite Bevölkerungsgruppen anziehend. Bis heute bleibt es der Fall, dass die Zisterzienserheiligen weniger Massenresonanz genießen als ein Padre Pio oder eine Mutter Teresa von Kalkutta.“ (S. 156).

Rechtsanwalt und Kunsthistoriker Ulrich Knapp (Leonberg) ist wohl einer der besten Kenner der ehemaligen Zisterzienserabtei Salem, hat er doch bereits zahlreiche Arbeiten dazu vorgelegt (siehe Link). Dieses Mal richtet er den Fokus auf die Prälatur: Planung, Erstausstattung unter Abt Stephan I. Jung (reg. 1698-1725), erste Umgestaltung unter seinem Nachfolger Abt Konstantin Miller (reg. 1725-1745), zweite Umgestaltung unter Abt Anselm II. (reg. 1746-1778) und dritte Umgestaltung unter Abt Robert Schlecht (reg. 1778-1802). Zum Schluss setzt Knapp die Salemer Prälatur noch in Kontext mit anderen Zisterzienserklöstern wie beispielsweise Ebrach oder Bronnbach. Knapp ist mit seinem schön bebilderten Aufsatz ein wunderbarer Beitrag zu diesem Tagungsband gelungen. Besonders spannend sind dabei die kleinen Details, die er nicht unbeachtet lässt und die wohl noch niemand zuvor in dieser Intensität unter die Lupe genommen hat.

Dazu passend folgt ein Beitrag zu barocken Klausurbauten aus der Feder der Kunsthistorikerin Katinka Häret-Krug, die 2010 an der Universität Heidelberg promoviert hat; der Titel ihrer Dissertation lautet: „Die Baugeschichte des Zisterzienserklosters Bronnbach“. Die Autorin liefert anhand der Klöster Ebrach, Bronnbach, Eberbach und Arnsburg einen überaus spannenden Überblick und setzt dabei ebenfalls auf eine üppige Bebilderung; dazu liefert sie noch mehrere Pläne (Bauphasen, Grundrisse) sowie eine Zeichnung von Clairvaux von 1708. Zum Vergleich zieht die Kunsthistorikerin weiters zahlreiche andere Gebäude heran, beispielsweise das Kurfürstliche Schloss in Mainz oder die Residenz in Würzburg; besonders wertvoll ist dabei der Mix aus historischem und aktuellem Bildmaterial.

Der Zisterzienser P. Bruno Norbert Hannöver aus dem Zisterzienserkloster Heiligenkreuz widmet sich in seinem Beitrag allgemein der zisterziensischen Spiritualität bzw. den Charakteristika des Zisterzienserordens: Reformen, Lebens- und Baustil, Christus- und Marienmystik. Sämtliche Bildbeispiele stammen aus dem Stift Heiligenkreuz.

Markus Thome, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Tübingen, geht in seinem schönen Beitrag auf die bipolaren Räume und die bildhafte Architektur (mit Fragezeichen) ein. Auch er erfreut die Leserinnen und Leser mit zahlreichen Grundrissen und Farbbildern (Außen- und Innenaufnahmen), die den Inhalt, der sich mit (liturgischen) Funktionsbereichen, Raumhierarchien und Sakralräumen beschäftigt, bildhaft unterstreichen. Eine Aufzählung aller verwendeten Beispiele würde zu weit greifen, so viel sei aber verraten: Thome blickt auch über die deutschen Grenzen hinaus nach Frankreich und in die Schweiz.

Die seit 2010 am Landesarchiv Baden-Württemberg – Staatsarchiv Ludwigsburg als Referatsleiterin tätige Maria Magdalena Rückert befasst sich in ihrem Aufsatz mit dem Kloster Schöntal im 18. Jahrhundert und beleuchtet dabei dessen äußere Blüte und inneren Verfall (wiederum mit Fragezeichen). Inhaltlich ergänzt dieser Beitrag die Ausführungen von Benjamin Greiner sehr schön, da Rückert ebenfalls auf die Wirtschaftsweise Schöntals fokussiert (sie reicht auch die selbe Karte von 1705 auf S. 257), aber dabei weniger in die Tiefe geht, da sie sich darüber hinaus noch mit der reichsrechtlichen Stellung des Klosters, dem Verhältnis zu Mainz und Würzburg sowie mit den inneren Verhältnissen der Zisterze beschäftigt.

Ein weiterer Zisterzienser aus dem Kloster Heiligenkreuz und Professor an der Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz, P. Justinus Pech, widmet sich der Benediktsregel. Aber nicht der ganzen Regel, sondern es geht ihm um die Erläuterung der Aussage „man gibt die Dinge immer etwas billiger her“ (RB 57,8). Dafür beschreibt der Autor den Aufbau der Regel des Hl. Benedikt und geht dann über zu Betrachtungen unternehmerischer Entscheidungsprozesse.

Der vorletzte Beitrag des Tagungsbandes „Die Zisterzienser. Konzeptionen klösterlichen Lebens“ stammt von der Musikwissenschafterin und Mediävistin Ulrike Hascher-Burger, die sich mit Liturgiereformen auf dem Pergament beschäftigt. Sie untersucht ausgewählte Beispiele mittelalterlicher Fragmente aus verschiedenen Klöstern in Niedersachsen und nimmt dabei besonders Korrekturen, Rasuren und Palimpseste in den Blick. Ihre gewählten Bildbeispiele überzeugen über die Maßen, besonders interessant erscheint die ganzseitige Rasur in einem Codex der Bodleian Library in Oxford (S. 281).

Zum Schluss wendet sich der Berner Kunsthistoriker Jens Rüffer noch der Geschichte zweier Ruinen ehemaliger Zisterzienserklöster in Brandenburg zu: Lehnin und Chorin. Rüffer beleuchtet dabei beispielsweise die denkmalpflegerischen Aktivitäten in den beiden Klöstern im 19. Jahrhundert und beschließt seine Ausführungen mit der Heraushebung von drei kunsthistorischen Kontexten: „die Entdeckung mittelalterlicher Kunst und Architektur durch die Romantiker, die beginnende kritische Erforschung der Geschichte der Abteien sowie die Popularisierung historischen Wissens und der wachsende Tourismus.“ (S. 299).

Im Anhang finden sich ein ausführlicher Tagungsbericht von Joachim Werz, der aufzeigt, dass nicht alle Vortragenden der Tagung für den Tagungsband gewonnen werden konnten (was den Tagungsbericht umso wertvoller erscheinen lässt, da er das Thema wunderbar abrundet); dazu kommen noch Autorenverzeichnis, Dankesworte von Michael Hörrmann, Geschäftsführer Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Register (Sach-, Orts- und Namensregister) und Bildnachweise. Alles in allem kann man den Verantwortlichen nur ganz herzlich zu ihrem sehr schönen Band mit vielen wertvollen Beiträgen und überaus qualitätvollen Abbildungen gratulieren. Eine wunderbar runde Sache!