Europäische Netzwerke der geistlichen Ritterorden an der Kurie im 13. Jahrhundert
Ordensgeschichte 2017-12-03
tl; dr: Ich habe am 4. November 2017 eine kürzere Projektskizze als „1000 Worte Forschung“ auf dem Blog Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte veröffentlicht.
Ausgangspunkt und Fragestellung
Vor dem Hintergrund des aktuellen Interesses an Fragen der europäischen Integration ist die Geschichte von Papsttum und Kurie in den letzten Jahren vermehrt unter dem Aspekt des Verhältnisses von Zentrum und Peripherie untersucht worden.[1] In diesem Zusammenhang kommt auch den im Hochmittelalter entstandenen Orden besondere Relevanz zu. Den drei großen geistlichen Ritterorden der Templer, Johanniter und des Deutschen Ordens unterstellt man vielfach ähnlich den etwas später entstandenen Bettelorden eine große Nähe zu den Päpsten; sie hätten, beim Deutschen Orden wegen dessen Nähe zu den Staufern natürlich mit Einschränkungen, als eine Speerspitze der römischen Kurie bei der Durchsetzung von deren Zielen vor Ort gegen die Diözesanbischöfe sowie gegen lokale und regionale Machthaber gewirkt. Im Gegenzug seien sie von den Päpsten reich privilegiert worden. Dass sowohl die Ritter- als auch die Bettelorden wegen ihrer exemten Stellung kritisiert wurden, ist unbestreitbar. Aber welchen Einfluss sie an der römischen Kurie wirklich hatten, ist bisher noch nie im vergleichenden Zusammenhang untersucht worden. Für die Ritterorden will dies das skizzierte Forschungsprojekt versuchen.
Forschungsstand
Grundlage dafür kann nur eine sozial- und personengeschichtliche Analyse der an der Kurie auftretenden Ritterordensangehörigen sein. Hier lässt sich an aktuelle prosopographische Forschungen anknüpfen:[2] So hat Jochen Burgtorf 2008 auf der Basis personengeschichtlicher Studien wichtige Erkenntnisse zu Struktur und Personal der zentralen Konvente der Templer und Johanniter vorgelegt.[3] Kristjan Toomaspoegs umfassende Studie über die Deutschordensangehörigen in Italien ist in Vorbereitung.[4] Die richtungsweisenden Ergebnisse zweier Konferenzen sind jüngst vorgelegt worden: Die 17. Jahrestagung der Ordines militares befasste sich 2013 mit den religiösen, sozialen und politischen Netzwerken der Ordensbrüder[5]; die große internationale Konferenz in München 2014 legte den Fokus auf die Templerurkunden und damit auf die maßgebliche Quellengrundlage für weitere personengeschichtliche Studien zu diesem Orden.[6] Trotz dieser entscheidenden Anstrengungen ist die systematische Erforschung der Mitglieder der geistlichen Ritterorden seit Jahren ein großes Desiderat. Dabei ist die Identifizierung der Ordensmitglieder eine der Voraussetzungen, um die administrativen, personalen und sozialen Strukturen dieser Orden und ihr Wirken in den größeren historisch-politischen Zusammenhängen des Mittelalters zu erfassen. Denn erst „[w]enn wir die Brüder der Ritterorden genauer kennen, wird es […] möglich, manche Aspekte der Gesamtgeschichte der Orden besser zu erklären.“[7] Dieser Herausforderung einer Kollektivbiographie nimmt sich das Forschungsprojekt für die an der Kurie tätigen Ordensmitglieder des 13. Jahrhunderts an.
Quellen und Arbeitsmittel
Die Quellenlage und ihr Erschließungsstand sind dafür äußerst günstig. Mit der kontinuierlichen Reihe der Papstregister ab 1198 sind auch die Aktivitäten der Ritterorden an der Kurie gut fassbar. In den registrierten Urkunden und Briefen der Päpste werden regelmäßig Angehörige der Orden in verschiedenen Zusammenhängen genannt. Für die Auswertung stehen verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung: Hochauflösende Digitalisate der Papstregister aus dem Archivio Segreto Vaticano sind vollständig in München bei den Monumenta Germaniae Historica einsehbar. Die relevanten 32 Registerbände von Alexander IV. (reg. 1254-1261) bis Benedikt XI. (reg. 1303-1304) liegen in gedruckter Form vor und sind zum Teil durch Regestenwerke wie August Potthasts Regesta Pontificum Romanorum erschlossen.[8]
Auch die Empfängerüberlieferung in den europäischen Ländern ist teilweise aufgearbeitet, so dass die Einordnung der an der römischen Kurie auftretenden Ritterordensangehörigen in lokale und regionale Kontexte wesentlich erleichtert wird.[9] Zum Beispiel wurden in Zusammenhang mit Franco Bartolonis 1955 angeregtem Censimento, der die Originalurkunden von Innozenz III. (1198-1216) bis zum Konstanzer Konzil (1414-1418) sammelt, bereits einige Bände mit der kopialen Überlieferung veröffentlicht.[10]
Um weitere Ausfertigungen und Kopien von Papsturkunden für Empfänger in verschiedenen Archiven und Bibliotheken festzustellen, sind ein Abgleich mit bereits gedruckten Urkundenbüchern[11], Regestenwerken[12] und weitere Archivrecherchen nötig. Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie bis zum Jahr 1436 sowie eine Gesamtdarstellung liegen bereits in gedruckter Form vor;[13] für Johanniter und Templer dagegen muss die Empfängerüberlieferung für den relevanten Zeitraum weitgehend noch erarbeitet werden.[14]
Dieses Quellenmaterial ergänzen kuriale Briefsammlungen, die ebenfalls zum Teil schon erschlossen sind, wie die des Pseudo-Marinus von Eboli, Thomas’ von Capua, Richards von Pofi, Berards von Neapel und Papst Clemens’ IV.[15], und nicht-diplomatische Quellen wie Chroniken oder Papstviten, in denen Ordensangehörige vorkommen.[16]
Untersuchungszeitraum
Diese außerordentlich gute Quellenlage bestimmt die Eingrenzung des Untersuchungszeitraums. Besonders für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts sind die wesentlichen Quellen so gut fassbar und ihr Erschließungsstand so weit fortgeschritten, dass sie fundierte Aussagen über die Akteure und ihre Handlungsmöglichkeiten erlauben. Darüberhinaus grenzen zwei Zäsuren in den jeweiligen Ordensgeschichten den zeitlichen Rahmen des Forschungsprojekts ein: 1254 endete die enge Kooperation des Deutschen Ordens mit dem deutschen Königtum, was eine Neuausrichtung der Ordensbeziehungen bedingte. 1314 wurde der Templerorden in einem Aufsehen erregenden Prozess aufgelöst und ließ damit die Krise des Verhältnisses zwischen Kurie und Ritterorden, die sich bereits Ende des 13. Jahrhunderts abzuzeichnen begonnen hatte, manifest werden.
Theoretischer Ansatz und Methode
Beide Zäsuren sind mit Personen, Entscheidungen und Handlungen verbunden, deren Wechselspiel zu verschiedenen Situationen und Konstellationen führte. Doch sind diese nicht isoliert und losgelöst von den politischen Klein- und Großwetterlagen zu betrachten. Die Grundannahme des Forschungsprojekts ist, dass historische Akteure und damit auch ihr Handeln in die sie umgebenden Strukturen eingebettet sind. Akteure und Strukturen müssen deshalb sichtbar und erklärbar, das heißt verstehbar, gemacht werden. Dies gelingt nur, wenn man die Personen und die Beziehungsgeflechte, in denen sie agierten, sichtbar und erklärbar macht. Um dies zu erreichen, verknüpft die Arbeit einen personengeschichtlichen Ansatz mit der Methode der historischen Netzwerkanalyse.
Prosopographie
Prosopographie hat in der Geschichtswissenschaft seit dem 19. Jahrhundert eine lange Tradition.[17] Durch Langzeitvorhaben wie die Prosopographia Imperii Romani (1897-2009)[18] und Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (1893-1978)[19] sowie einflussreiche Studien wie Ronald Symes The Roman Revolution (1939)[20] und Lewis Namiers The Structure of Politics at the Accession of George III (1929)[21] wurde Prosopographie vor allem ertragreich für die Erforschung sozialer Strukturen in Antike und Neuzeit genutzt.[22] Für letztere hervorzuheben sind Wolfgang Reinhards einflussreiche Arbeiten Papstfinanz und Nepotismus unter Paul V. (1974) und Freunde und Kreaturen (1979), die Patronage und Klientel-Beziehungen im Rom der Frühen Neuzeit analysieren.[23]
Am Anfang des mediävistischen Interesses standen Neithard Bulsts und Jean-Philippe Genets Medieval Lives and the Historian (1986) und La Ville, la bourgeoisie et la genèse de l´État moderne (1988) sowie Bulsts Die französischen Generalstände von 1468 und 1484 (1992)[24]. Sie entwickelten prosopographische Forschungen weiter. Auf Grund der guten Quellenlage zur Kirchen- und Kuriengeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts wurde der personengeschichtliche Ansatz für die Mittelalterforschung zunächst für diese Zeit erprobt, so in Gerhard Fouquets Studie Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter (1987)[25] oder Andreas Rehbergs Monographie Die Kanoniker von St. Giovanni in Laterano und S. Maria Maggiore (1999)[26] und in den Arbeiten von Brigide Schwarz[27] zu Seilschaften und Klientelwesen im Klerus (1988-2001).
Mittlerweile gibt es ambitionierte Großprojekte für die Erfassung mittelalterlicher Personen: Die Datenbank Prosopography of Anglo-Saxon England (2000-2010)[28] verzeichnet biographische und genealogische Daten namentlich bekannter, frühmittelalterlicher Personen in England, People of Medieval Scotland (2007-2013) [29] Personendaten zur schottischen Geschichte zwischen 1093 und 1314. Für den deutschsprachigen Raum verdienstvoll sind das Repertorium Academicum Germanicum (seit 2001),[30] das die graduierten Gelehrten des Alten Reichs zwischen 1250 und 1550 erfasst, und das Repertorium Germanicum (seit 1897),[31] das die „deutschen“ Betreffe, das heißt, Personen, Orte, Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien in den päpstlichen Registern und Kameralakten für die Jahre 1378 bis 1517 sammelt.
Historische Netzwerkanalyse
Anders als die Prosopographie ist die historische Netzwerkanalyse[32] noch ein junger Ansatz,[33] dessen methodische Schärfung in Abgrenzung zur sozialen Netzwerkanalyse (SNA)[34] gerade erfolgt.[35] Bereits Wolfgang Reinhard hat mit seinen Pionierarbeiten die Netzwerkanalyse als gewinnbringende Methode für die zukünftige (Personen-)Forschung deutlich gemacht. Jenseits der bloßen Metapher wurde seither allerdings kaum echte Netzwerkforschung in der Geschichtswissenschaft,[36] noch weniger in der Mediävistik betrieben.[37] Erst mit Robert Gramschs Das Reich der Fürsten (2013)[38] liegt für ein komplexes politisches Geschehen des Hochmittelalters ein dezidiert sozialwissenschaftlicher Erklärungsversuch vor, der mathematische Verfahren zur Auswertung und Visualisierung der erhobenen Daten einsetzt.
Vorgehen
Das Forschungsprojekt knüpft an Gramschs Vorstoß an: Eine historische Fragestellung wird mit mathematischen Verfahren bearbeitet. Bewährte Softwaretools wie VennMaker, Nodegoat oder Gephi erleichtern die Erforschung sozialer Netzwerke in historischer Perspektive.[39] Denn standen bisher nur sehr aufwändige Instrumente der SNA zur Erhebung und quantitativen Auswertung von Daten zur Verfügung und fehlte es außerdem an einfachen Mitteln zur Analyse und Visualisierung des qualitativ erhobenen Materials, so wird die akteurszentrierte Darstellung und Analyse von Netzwerken durch digitale Werkzeuge nun effizient möglich.[40] „Unterstützt durch eine Quellenkritik werden die komplexen Beziehungsstrukturen eines sozialen Netzwerks in standardisierter Form erhoben, mit Hilfe geeigneter Software analysiert und deren Ergebnisse schließlich zusammen mit den Befunden der traditionellen Quellenauswertung interpretiert. Die Stärken der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung lassen sich so mit den Vorteilen der traditionellen historischen Forschung verbinden.“[41]
Der erste Arbeitsschritt ist die Prosopographie, das heißt die Erfassung von Ordensangehörigen in Rom und außerhalb, die Urkunden erhielten oder die in päpstlichen Urkunden erwähnt werden. Aus den päpstlichen Registern werden sowohl quantitative als auch qualitative Informationen erhoben. Die quantitative Erhebung geschieht in stark formalisierter Weise: Biographische Daten wie Name, Lebenszeit, Familie, Herkunftsregion, Zugehörigkeit zu Orden und Ordensprovinz, Ämter, Dienstherren, Tätigkeiten und Einsatzbereiche werden für die statistisch multivariate Analyse und die Interpretation des Materials codiert erfasst; die qualitative Erhebung geschieht dagegen in möglichst offener Weise: Nur wenig strukturierte Informationen wie Quellennachweise und -terminologie, Regesten, Urkundeneditionen und Teil-Transkriptionen ungedruckter Quellen und Belegstellen aus der Literatur werden für die erklärende Beschreibung des Materials zusammengetragen.[42]
Im zweiten Arbeitsschritt werden auf dieser Materialbasis die lokalen und regionalen Beziehungsgeflechte mittels der historischen Netzwerkanalyse herausgearbeitet und visualisiert. Akteure und Relationen werden bestimmt und bewertet, Aussagen über den Netzwerktyp getroffen, Gruppen- und Cliquenbildung festgestellt. Es entstehen Momentaufnahmen einzelner personeller Kontakte und Konstellationen.
In einem dritten und letzten Arbeitsschritt werden die Netzwerkdaten zusammen mit den Befunden aus der Quellenauswertung interpretiert. Am Beispiel der Ritterorden an der Kurie soll im Sinn der strukturellen Handlungstheorie[43] gezeigt werden, wie soziale Interaktion innerhalb komplexer Netzwerkstrukturen die Handlungsmöglichkeiten der einzelnen Akteure und Cliquen beeinflusste und wie gleichzeitig deren konkrete Handlungen wiederum auf die Netzwerke einwirkten, sie wiedergaben oder auch veränderten. Die einzelnen Momentaufnahmen werden, über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren hinweg betrachtet, zu einem dynamischen und komplexen Gesamtbild der Beziehungen zwischen Kurie und Ritterorden.
Erst die Kombination beider Datentypen und beider Arten der Informationsgewinnung erlaubt die valide Interpretation des erhobenen Materials im dritten Arbeitsschritt. Denn ohne die Rückbindung an größere Quellenkontexte führen die Ergebnisse der quantitativen Analyse zu Schlussfolgerungen, die rein auf Zahlen und Häufigkeiten reduziert sind und isoliert von der in der Regel viel komplexeren historischen Situation stehen. Umgekehrt bleiben wiederum die bei der qualitativen Analyse gewonnenen Befunde wenig aussagekräftige Einzelbeobachtungen, wenn sie ohne Berücksichtigung von Verteilungen absolut und ausschließlich quellenimmanent interpretiert werden.
Erkenntniswert und Ziele
Der Zugriff auf zwei Ebenen erlaubt es, sich von „Beobachtungsabhängigkeiten“ zu befreien und bietet einen unverstellten Blick auf den Untersuchungsgegenstand, indem er die im Quellenmaterial angelegten und von der Forschung etablierten Annahmen überwindet sowie moderne digitale Forschungsmethoden einsetzt. Die Arbeit verfolgt auf den Ebenen der Methodologie und der Analyse insgesamt drei Ziele:
Methodologisch:
Methodologisch ist das Ziel des Forschungsprojekts die Modellbildung. Die ergiebige Quellenlage im gewählten Untersuchungszeitraum lässt die Erprobung der sonst für weitaus größere Datenmengen ausgelegten Netzwerkanalyse zu. Dies will die Arbeit zeigen und damit Einwänden gegen Forschungsprojekte, die die disziplinären Grenzen von Natur- und Geisteswissenschaften inhaltlich wie methodisch auflösen,[44] mit einem belastbaren Modell begegnen. Die Kombination von klassischer Quellenauswertung mit mathematischen Verfahren ist eine für die Mittelalterforschung innovative Herangehensweise, die die Potentiale der noch jungen digitalen Geisteswissenschaften für die Erkenntnisgewinnung ausschöpft und zu ihrer weiteren Profilbildung beiträgt.
Analytisch:
Auf analytischer Ebene ist das erste Ziel eine Personen- und Institutionengeschichte. Während Robert Gramsch auf ein gut bekanntes „Reichspersonal“ zurückgreifen konnte, müssen die relevanten Personendaten für die Akteure innerhalb kurialer Netzwerke des 13. Jahrhunderts erst recherchiert werden.[45] Die Arbeit liefert umfassendes biographisches Material zu den Mitgliedern der Orden, das wiederum Ausgangspunkt für weitere sozial- und strukturgeschichtliche Fragen der Ordensgeschichte, zum Beispiel nach den Ordensprokuratoren und ihrer Tätigkeit, ihren Ämtern, Amtsträgern und Hierarchien oder den Karrieremustern, ist. Auch zu der kontrovers diskutierten Problematik, warum Anfang des 14. Jahrhunderts ausgerechnet die Templer, aber nicht die beiden anderen großen geistlichen Ritterorden aufgehoben wurden, sind Aufschlüsse zu erwarten, wenn man ihre Beteiligung an kurialen Netzwerken vergleicht.
Das zweite Ziel ist, zu klären, aus welchen lokalen und regionalen Netzwerken Ordensmitglieder an die Kurie kamen, ob sich dort wiederum Netzwerke der Orden ausbildeten und welche Einflussmöglichkeiten mit einer solchen „Lobbysierung“ verbunden waren. Da alle drei Orden supranationale Unternehmen waren, die nicht nur in der Levante, sondern auch in Süd-, Mittel- und Osteuropa operierten, bringt der Vergleich in transnationaler Perspektive Erkenntnisse zu Handlungsspielräumen und Interessenvertretungen in wiederum trans- und supranationalen, politischen Zusammenhängen wie der Kreuzzugsfinanzierung, der Verwaltung des Kirchenstaats und dem Templerprozess.
Die römische Kurie war das Zentrum und die Drehscheibe, an der verschiedene nationale, regionale und lokale Interessen der Orden und anderer „global players“ zusammenliefen, verarbeitet und in umorganisierter Form wieder in die „Peripherie“ abgeleitet wurden – sei es die Levante, Frankreich, England oder das Reich. Diese Interessen wurden von Einzelpersonen vertreten. Ihr Handeln, ob erfolgreich oder nicht, bestimmte, zumindest eine gewisse Zeit lang, die Beziehungen zwischen Papsttum und Orden. Diese Beziehungsgestaltung wiederum wirkte in verschiedenen historischen Zusammenhängen und prägte das politische und gesellschaftliche Geschehen im Europa des 13. Jahrhunderts mit. Das Forschungsprojekt verbindet so „die Mikroebene des individuellen Verhaltens mit der Makroebene gesamtgesellschaftlicher Prozesse.“[46]
[1] Vgl. z. B. den Sammelband Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., hrsg. von Jochen Johrendt und Harald Müller (Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 2), Berlin/New York 2008; Rom und die Regionen. Die Homogenisierung der lateinischen Kirche im Hochmittelalter, hrsg. von Jochen Johrendt und Harald Müller (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 19), Berlin/New York 2012.
[2] Zum Stand der Forschung vgl. Kristjan Toomaspoeg, Die Geschichtsschreibung zu den mittelalterlichen geistlichen Ritterorden: Status quaestionis, in: Die geistlichen Ritterorden in Mitteleuropa. Mittelalter, hrsg. von Karl Borchardt und Libor Jan, Brno 2011, 25-48.
[3] Jochen Burgtorf, The Central Convent of Hospitallers and Templars: History, Organization and Personnel (1099/1120-1310), Leiden 2008.
[4] Kristjan Toomaspoeg, Der Deutsche Orden und seine Brüder in Italien (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, Marburg). Stellvertretend dafür: Ders., Die Behauptung des Deutschen Ordens in Italien, in: Herrschaft, Netzwerke, Brüder des Deutschen Ordens in Mittelalter und Neuzeit (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 72), hrsg. von Klaus Militzer, Weimar 2012, 133-148 (mit weiterer Literatur).
[5] Die Brüder der geistlichen Ritterorden in den sozialen, religiösen und politischen Netzwerken in Mittelalter und Früher Neuzeit (Ordines militares 19), hrsg. von Roman Czaja, Jürgen Sarnowsky und Krzysztof Kwiatkowski, Torún 2015. Speziell für den Deutschen Orden wurde dieses Thema bereits 2012 aufgegriffen. Vgl. den Sammelband in Anm. 4.
[6] The Templars, their Sources and their Competitors 1119-1314, hrsg. von Karl Borchardt, Karoline Döring, Helen Nicholson und Philippe Josserand (Crusades. Subsidia 10), New York 2017.
[7] Toomaspoeg, Geschichtsschreibung 47.
[8] Vollständiges Verzeichnis der bereits edierten Register bei R. C. van Caenegem, Introduction aux Sources de l’Histoire Médiévale. Typologie, Histoire de l’érudition médiévale. Grandes collections, Sciences auxiliaires, Bibliographie (Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis), Turnhout 1997, 291-294; August Potthast (Hrsg.), Regesta pontificum Romanorum inde ab anno post Christum natum MCXCVIII ad annum MCCCIV, 2 Bde., Berlin 1874/75.
[9] Verzeichnis bei Thomas Frenz, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit (Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen 2), Stuttgart 22000, 123f. Ergänzungen sind dokumentiert auf der Seite http://www.phil.uni-passau.de/fakultaetsorganisation/fakultaetsangehoerige/histhw/forschung/materialien-zur-apostolischen-kanzlei/papsturkunden-des-mittelalters-und-der-neuzeit/. (Stand: 14. November 2017). Laufende Verzeichnisse über Arbeiten außerdem im Bulletin der „Society for the Study of the Crusades and the Latin East“ in der Zeitschrift „Crusades“. Siehe außerdem das noch laufende Papsturkundenwerk, das von der Pius-Stiftung für Papsturkundenforschung und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen getragen wird: http://adw-goe.de/forschung/forschungsprojekte-akademienprogramm/papsturkunden-des-fruehen-und-hohen-mittelalters/ (Stand: 14. November 2017).
[10] Franco Bartoloni, Per un censimento dei documenti pontifici da Innocenzo III a Martino V (escluso). Relazione, discussione e voto finale al Convegno internazionale di studi per le fonti del medio evo europeo, Rom 1955. Vgl. die Liste bei Frenz, Papsturkunden 123f.
[11] Für den Deutschen Orden z. B. ältere Urkundenbücher wie Karl Heinrich Lampe (Hrsg.): Urkundenbuch der Deutschordensballei Thüringen (Urkundenbuch der Deutschordensballei Thüringen 1/Thüringische Geschichtsquellen 10, 1), Jena 1936 und Eduard Gaston Pettenegg (Hrsg.): Die Urkunden des Deutsch-Ordens-Centralarchives zu Wien, in Regestenform. Band 1: 1170-1809, Prag und Leipzig 1887; Arthur Wyss (Bearb.): Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen. Bd. 1: Von 1207-1299, Leipzig 1879. Vgl. außerdem „Das virtuelle Preußische Urkundenbuch Regesten und Texte zur Geschichte Preußens und des Deutschen Ordens“: http://www.spaetmittelalter.uni-hamburg.de/Urkundenbuch/ (Stand: 14. November 2017).
[12] Für den Deutschen Orden: Marian Tumler und Udo Arnold (Bearb.), Die Urkunden des Deutschordenszentralarchivs in Wien: Regesten (Vol. 1-3) (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 60, 1-3/Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 11, 1-3), Marburg 2006-2007. Vgl. auch das virtuelle Archiv von Monasterium: http://monasterium.net/mom/AT-DOZA/Urkunden/fond (Stand: 14. November 2017).
[13] Für das Forschungsprojekt relevant ist der erste Teilband: Kurt Forstreuter (Bearb.), Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie Bd. 1: Die Geschichte der Generalprokuratoren von den Anfängen bis 1403 (Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie, Teilband 1/Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz 12), Köln [u. a.] 1961; Jan-Erik Beuttel, Der Generalprokurator des Deutschen Ordens an der römischen Kurie. Amt, Funktion, personelles Umfeld und Finanzierung (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 55), Marburg 1999.
[14] Die beiden bekannten Kartulare für Templer und Johanniter enthalten nicht die Empfängerüberlieferung des Ordens, sondern die Urkunden, die er als Aussteller ausgefertigt hat: Vgl. Cartulaire général de l’Ordre du Temple (1119?-1150). Recueil des chartes et des bulles relatives à l’Ordre du Temple, hrsg. vom Marquis D’Albon, Paris 1913 und Cartulaire général de l’Ordre des Hospitaliers de S. Jean de Jérusalem (1100-1310), hrsg. von Joseph Marie Delaville Le Roulx, 4 Bde., Paris 1894-1905. Beides wird nur stichprobenartig herangezogen.
[15] Für Material und Editionsstand zu diesen Sammlungen vgl. die Datenbanken der Monumenta Germaniae Historica: http://www.mgh.de/datenbanken/marinus/; http://www.mgh.de/datenbanken/thomas-von-capua/; http://www.mgh.de/datenbanken/clemens-iv/ (alle Stand: 14. November 2017); außerdem: Ernst Batzer, Zur Kenntnis der Formularsammlung des Richard von Pofi (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 28), Heidelberg 1910; Elmar Fleuchaus, Die Briefsammlung des Berard von Neapel. Überlieferung – Regesten (Monumenta Germaniae Historica Hilfsmittel 17), München 1998.
[16] Einige Archivalien des Johanniterordens in der Nationalbibliothek von Malta sind ebenfalls schon erfasst: Siehe Catalogue of Records of the Order of St. John of Jerusalem in the Royal Malta Library (National Library of Malta), bearb. von Antonio Zammit Gabaretta, Joseph Mizzi [u. a.], 13 Bde., Malta 1964-1990. Der Katalog wird ebenfalls nur ergänzend herangezogen.
[17] Timothy Barnes, Prosopography Modern and Ancient, in: Prosopography. Approaches and Applications. A Handbook, hrsg. von Katherine S. B. Keats-Rohan (Prosopographica et Genealogica 13), Oxford 2007, 71-82.
[18] Vgl. die komfortabel zu recherchierende Datenbank: http://pir.bbaw.de/ (Stand: 14. November 2017).
[19] Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 66 Bde. u. 15 Erg.-Bde., Stuttgart (1890-1978).
[20] Ronald Syme, The Roman Revolution, Oxford 1939.
[21] Lewis Namier, The Structure of Politics at the Accession of George III., Basingstoke 1929.
[22] Vgl. die Bibliographie: http://prosopography.modhist.ox.ac.uk/bibliography.htm (Stand: 14. November 2017).
[23] Wolfgang Reinhard, Papstfinanz und Nepotismus unter Paul V. (1605-1621). Studien und Quellen zur Struktur und zu quantitativen Aspekten des päpstlichen Herrschaftssystems (Päpste und Papsttum 6/I-II), Stuttgart 1974 und Ders., Freunde und Kreaturen. Verflechtung als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600 (Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg 14), München 1979.
[24] Neithard Bulst und Jean-Philippe Genet (Hrsg.), Medieval Lives and the Historian. Studies in Medieval Prosopography, Kalamazoo 1986; Dies. (Hrsg.), La Ville, la bourgeoisie et la genèse de l´État moderne, Paris 1988; Neithard Bulst, Die französischen Generalstände von 1468 und 1484. Prosopographische Untersuchungen zu den Delegierten, Sigmaringen 1992.
[25] Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter (ca. 1350-1540). Adlige Freundschaft, fürstliche Patronage und päpstliche Klientel (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 57), 2 Bde., Mainz 1987.
[26] Andreas Rehberg, Die Kanoniker von St. Giovanni in Laterano und S. Maria Maggiore im 14. Jahrhundert (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 89), Tübingen 1999.
[27] Siehe z. B. Brigide Schwarz, Eine „Seilschaft“ von Klerikern aus Hannover im Spätmittelalter, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 81 (2001), 256-277; Dies., Alle Wege führen über Rom. Eine „Seilschaft“ von Klerikern aus Hannover im späten Mittelalter (1. Folge), in: Hannoversche Geschichtsblätter N. F. 52 (1998), 5-87; Dies., Klerikerkarrieren und Pfründenmarkt. Perspektiven einer sozialgeschichtlichen Auswertung des Repertorium Germanicum, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 71 (1991), 243-265; Dies., Über Patronage und Klientel in der spätmittelalterlichen Kirche am Beispiel des Nikolaus von Kues, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 68 (1988), 284-310.
[28] Zur PASE: http://www.pase.ac.uk/index.html (Stand: 14. November 2017).
[29] Zu PoMS: http://www.poms.ac.uk/ (Stand: 14. November 2017).
[30] Zum RAG: http://www.rag-online.org/ (Stand: 14. November 2017).
[31] Zum RG: http://dhi-roma.it/rep_germ.html (Stand: 14. November 2017).
[32] Zum Stand der Forschung vgl. die umfassende Bibliographie von „Historical Network Research“ http://historicalnetworkresearch.org/bibliography/ (Stand: 14. November 2017) und die methodische Einführung: Marten Düring und Linda von Keyserlingk, Netzwerkanalyse in den Geschichtswissenschaften. Historische Netzwerkanalyse als Methode für die Erforschung von historischen Prozessen. Verfügbar unter: http://www.academia.edu/449150/Netzwerkanalyse_in_den_Geschichtswissenschaften._Historische_Netzwerkanalyse_als_Methode_f%C3%BCr_die_Erforschung_von_historischen_Prozessen (Stand: 14. November 2017).
[33] Marten Düring, Ulrich Eumann, Linda von Keyserlingk, Martin Stark (Hrsg.), Handbuch Historische Netzwerkforschung. Grundlagen und Anwendungen (Schriften des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen zur Methodenforschung 1), Berlin [u. a.] 2016.
[34] Einen historischen Überblick über die SNA bietet: Linton C. Freeman, The Development of Social Network Analysis. A Study in the Sociology of Science, Vancouver 2004. Ein gute Einführung und Gesamtdarstellung liegt mit Stanley Wasserman und Katherine Faust, Social Network Analysis (Structural Analysis in the Social Sciences 8), Cambridge 1994 vor. Methodische Einführungen sind Peter J. Carrington, John Scott und Stanley Wasserman (Hrsg.), Models and Methods in Social Network Analysis, Cambridge 2005 und Dorothea Jansen, Einführung in die Netzwerkanalyse, 3. überarb. Aufl., Wiesbaden 2006.
[35] Eine entsprechende Fachzeitschrift wurde eben erst gegründet. Weitere Informationen und die erste Ausgabe dieses Journal of Historical Network Research unter: https://jhnr.uni.lu/index.php/jhnr (Stand: 14. November 2017).
[36] Wichtige Beiträge leistete in dieser Hinsicht der transdisziplinäre Forschungscluster „Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke“ der Universitäten Trier und Mainz (2005-2013). http://www.forschungscluster.uni-trier.de/ (Stand: 14. November 2017). Siehe dort die Veröffentlichungen.
[37] Ein umsichtiger Überblick über die neueren Arbeiten bei Düring/von Keyserlingk, Netzwerkanalyse.
[38] Robert Gramsch, Das Reich der Fürsten: Politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225-1235, Ostfildern 2013.
[39] http://www.vennmaker.com/ http://gephi.github.io/ und http://nodegoat.net/ (alle Stand: 14. November 2017).
[40] Vgl. Marten Düring, Matthias Bixler, Michael Kronenwett und Martin Stark, VennMaker for Historians. Sources, Social Networks and Software, in: Rivista hispana para el análisis de redes sociales 21 (2011) mit zwei Anwendungsbeispielen. Verfügbar unter: http://revista-redes.rediris.es/html-vol21/vol21_8e.htm (Stand: 14. November 2017).
[41] Düring/von Keyserlingk, Netzwerkanalyse.
[42] Zur prosopographischen Erhebung vgl. Koenraad Verboven, Myriam Carlier und Jan Dumolyn, Introduction, in: Prosopography Approaches and Applications. A Handbook (Prosopographica et Genealogica 13), hrsg. von Katherine S. B. Keats-Rohan, Oxford 2007, 36-69, bes. 53-59.
[43] Sie ist das Bindeglied zwischen der abstrakten Strukturanalyse und dem historischen Erklären. Vgl. Jansen, Netzwerkanalyse 17-24, bes. 173-205 und 247-284 und Gramsch, Reich, 21-34.
[44] Vgl. Gramsch, Reich 83-86 und Eva Jullien, Netzwerkanalyse in der Mediävistik. Probleme und Perspektiven im Umgang mit mittelalterlichen Quellen, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 100 (2013), 135-153.
[45] Zu Kardinälen und kurialen Beamten gibt es einige Vorarbeiten (Agostino Paravicini Bagliani, Werner Maleczek, Peter Herde u. a.). Für die Ritterorden muss dies zum Großteil noch geleistet werden. Nur die Generalprokuratoren des Deutschen Ordens sind bereits besser erforscht. Vgl. dazu die in Anm. 13 genannte Literatur.
[46] Düring/von Keyserlingk, Netzwerkanalyse.