Call for Papers: 4. Isnard-Wilhelm-Frank Kolloquium, Wien 17.-19. Oktober 2019

Ordensgeschichte 2019-08-20

Brückenbauer und Wegbereiter: Die Dominikaner an den Grenzen der katholischen Christenheit

Der Ursprung des dominikanischen Predigtapostolats wird in aller Regel im Zusammenhang der Ketzerbekämpfung im Languedoc verortet. Blickt man aber auf tiefere, auch geistliche Motive des hl. Dominikus, so muss auch sein religiöser Wunsch und seine Sehnsucht nach dem Heil für alle Menschen berücksichtigt werden. Dieser universale Zug in der Spiritualität des Ordensgründers führte bereits am Anfang des Ordens dazu, dass sich Brüder an die Grenzen der christlichen Welt begaben, um dort das Evangelium zu leben und gewaltfrei zu verkünden. Die ersten Nachfolger des Dominikus in der Ordensleitung förderten diese Missionsinitiativen, und so entstanden bereits im 13. Jahrhundert Niederlassungen des Ordens im Nahen Osten und entlang der Seidenstraße. In der frühen Neuzeit begleiteten Dominikaner die spanischen und portugiesischen Entdecker und Eroberer nach Amerika und Ostasien und wurden dabei zu frühen Anwälten der Menschenrechte. Nach der Reformation verschloss sich der Orden nicht den Bemühungen von Re-Katholisierung und katholischer Reform, und bis zum heutigen Tag steht der Orden zu seinem Missionsengagement, das sich in den letzten Jahrzehnten neuen Herausforderungen gegenübergestellt sah und neue Formen dafür entwickelte.

Vor diesem missionsgeschichtlichen Hintergrund will das Symposium das Wirken der Dominikaner an den “Grenzen” der katholischen Christenheit untersuchen und dabei ihren missionarischen Einsatz als “Brückenbauer” in den Blick nehmen. Brückenbauer ziehen keine Zäune oder Mauern, sondern suchen nach Verbindungen, Verständigungsmöglichkeiten und Gesprächsgrundlagen, um Begegnung und Dialog, und damit die Voraussetzungen von Mission oder Versöhnung zu ermöglichen. Die “Grenzen” der Kirche und des Christentums finden sich aber nicht nur in den geographisch verstandenen missionarischen Räumen der alten Welt, sondern ziehen sich quer durch alle Gesellschaften. Verräterisch ist die Rede von den sozialen “Rändern”, den religiösen “Ghettos”, gesellschaftlichen “Bruchstellen” und kulturellen “Abgrenzungen”, die sich nicht nur in der modernen, sondern auch in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Welt finden.

Dabei sind Grenzen, ebenso wie Zäune und Mauern, ambivalent. Sie schließen aus oder sie schützen. Sie sind zur Verteidigung errichtet oder sie warten darauf, überwunden zu werden. Grenzen werden als natürlich oder als unnatürlich empfunden, sie markieren Identität oder brandmarken Andersartigkeit, sind der Raum zwischen Vertrautem und Fremdem. Dem Begriff des “Brückenbauer” haftet daher ebenfalls eine Ambivalenz an, die sowohl positiv als auch negativ konnotiert ist. Spätestens seit den Versuchen sog. aufgeschlossener Theologen, “Anknüpfungspunkte” zwischen Christentum und nationalsozialistischer Weltanschauung zu benennen, ist er auch in Verruf geraten. Brückenbauer sein erfordert Mut, aber auch Klugheit. Der Imperativ von Offenheit muss vor dem Indikativ der Wahrheit bestehen können. Weiterhin wird man fragen müssen, ob sich die dominikanischen “Brückenbauer” eher als Türöffner oder als Grenzposten verstanden haben, wobei beides nahe zusammenliegen kann. Halfen Sie, Grenzen zu überwinden, oder trugen sie umgekehrt dazu bei, diese zu verfestigen? Dachten sie bei ihrem Auftrag nur an die Menschen an diesen Grenzen, oder streckten sie die Hand auch zu jenen aus, die sich dahinter befanden?

Vor diesem Hintergrund will das Symposium das dominikanische Wirken in der Geschichte kritisch beleuchten und der Frage nachgehen, wie die dem Ideal des Ordensgründers verpflichteten Predigerbrüder die Herausforderung und den Auftrag interpretierten, an die Grenzen der katholischen Christenheit zu gehen. Bei den dabei angesprochenen Grenzen geht es, wie gesagt, nicht nur um die geographisch-räumliche Mission früherer Jahrhunderte, sondern auch um Trennlinien zwischen Konfessionen und Religionen, aber auch zwischen unterschiedlichen Vorstellungswelten, Ideologien, Lebensfeldern und Milieus.

Das Symposium will mit dieser Fragestellung einerseits den historischen Beitrag des Predigerordens zu einem konkreten Missionsapostolat beleuchten, zum anderen die Vielfalt kultureller und religiöser Begegnungen im Laufe der Kirchengeschichte aufzeigen. Es soll ein missionarisches Selbstverständnis zum Ausdruck kommen und aufgezeigt werden, wie eine universale Heilsvision Grenzen überwinden oder an Grenzen scheitern kann.

Als mögliche Themenbereiche für das Symposium bieten sich an:

  • die Tätigkeitsfelder von Dominikanern im 13. Jahrhundert: Katharer in Languedoc, Juden-, Muslimen- und Heidenmission, Dialog und Kontroversen mit dem östlichen Christentum.
  • die Rolle von Dominikanern im Kontext der Entdeckung der neuen Welt seit dem Ende des 15. Jahrhunderts.
  • die Einstellung von Dominikanern gegenüber der protestantischen Reformation und ihre Arbeit an einer katholischen Identität nach dem Konzil von Trient.
  • der Beitrag von Dominikanern und Dominikanerinnen in den Missionen des 19. und 20. Jahrhunderts.
  • die Wahrnehmung von Fremdheit, Andersartigkeit und Neuheit in Philosophie, (Kontrovers-)Theologie und einem christlichen Kulturengagement.
  • die Auseinandersetzung mit religionskritischen und atheistischen Konzepten in Mittelalter und Neuzeit, sowie der Beitrag von Dominikanern und Dominikanerinnen im ökumenischen Gespräch, interreligiösen Dialog und weltanschaulichem Disput.
  • das Wirken von Dominikanern an den sozialen Grenzen: Arbeiterpriester, Gefangenen- und Migrationsseelsorge; Seelsorge an Minoritäten und sozialen Randgruppen. 

Das Symposium wird als Kooperation zwischen dem Dominikanischen Historischen Institut in Rom (P. Dr. Viliam Štefan Dóci OP), dem Institut für Historische Theologie der Universität Wien (Prof. Dr. Thomas Prügl) und dem Konvent der Dominikaner in Wien (Prior P. Günter Reitzi OP) veranstaltet. Vorschläge für Vorträge und Papers (in deutscher oder englischer Sprache) mit Abstract und CV werden erbeten bis zum 1. März 2019 an P. Dr. Viliam Štefan Dóci OP. E-Mail: istitutostorico_presidente@pust.it