Handschriften aus der Bodleian Library in Oxford online

Bibliotheca Laureshamensis ‒ digital: Blog 2014-01-07

Mit den 20 Handschriften aus der Oxforder Bodleian Library ist nun auch der zweitgrößte Bestand an ehemaligen Lorscher Codices in die „Virtuelle Klosterbibliothek Lorsch“ integriert.

Unter den Oxforder Manuskripten befindet sich ein Prachtevangeliar des 11. Jahrhunderts (MS. Douce 292), das der sog. Oudalricus-peccator-Gruppe zugezählt wird und wohl in Lorsch oder Lüttich für einen deutschen König hergestellt wurde. Es ist leider nur unvollständig erhalten, die Evangelien nach Lukas und Johannes sind verlorengegangen. An den bewahrten Evangelienanfängen ist es mit ganzseitigen Miniaturen der Evangelisten Matthäus (fol. 6v) und Markus (fol. 69v) sowie mit jeweils folgenden Initialzierseiten geschmückt. Der Vorderdeckel des Einbandes wurde mit einem prachtvollen Metallrahmen verziert, in den unter anderem ein Bild des Stifters, Heinrichs III. oder Heinrichs IV. (?), rechts in der Mitte eingraviert wurde und der eine Elfenbeintafel umschließt, die den thronenden Christus zeigt. Am Anfang (fol. 1r) im 13. Jahrhundert eingetragene Personen- mit Ortsnamen belegen, dass der Codex zu dieser Zeit in einer Kirche in oder bei Laon in Frankreich aufbewahrt wurde. 1829 ist er im Besitz des englischen Antiquars Francis Douce nachweisbar, der das Evangeliar 1834 an die Bodleian Library vererbte.

 

Die restlichen 19 Handschriften stammen alle aus dem Besitz des Erzbischofs von Canterbury und Kanzlers der Universität Oxford William Laud († 1645). Am 28. Juni 1639 schenkte er sie mit zahlreichen weiteren Handschriften, die er hauptsächlich aus Kriegsbeuten im vom Dreißigjährigen Krieg erschütterten Deutschland bezogen hatte, der Bodleian Library, nachdem er alle Codices neu hatte binden und den Einband mit seinem Wappen in Goldprägung auf Vorder- und Hinterdeckel hatte ausstatten lassen. Vermutlich 18 Codices stammten aus dem 1631-1635 mehrmals von schwedischen und hessischen Truppen geplünderten Zisterzienserkloster Eberbach bei Eltville am Rhein, wohin sie vermutlich in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts aus Lorsch gelangt waren, als Mönche aus Eberbach versucht hatten, die Zisterzienserobservanz im dortigen Benediktinerkloster durchzusetzen. Eine der 19 Handschriften (MS. Laud. mis. 271) gelangte, ebenfalls im Dreißigjährigen Krieg, aus der Würzburger Dombibliothek in den Besitz Lauds; das in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts vermutlich im Einflussbereich Lorschs geschriebene Manuskript geriet bald nach seiner Herstellung, spätestens im 10. Jahrhundert, auf unbekannten Wegen an den fränkischen Bischofssitz.

Sämtliche Handschriften aus der Sammlung Lauds bieten Texte spätantiker Kirchenväter und Bischöfe, die im 9. Jh. kopiert worden waren. Ausnahmen sind lediglich der Codex MS. Laud. 159, der einen karolingerzeitlichen Kommentar zu den ersten acht Büchern des Alten Testaments enthält, zusammen mit einer Auslegung des Anfangs der Genesis aus der Feder des Angelsachsen Beda Venerabilis († 735), eine Predigtsammlung (MS. Laud. misc. 427) stammt aus dem 10. Jh., und eine Bibelhandschrift (MS. Laud. lat. 21) mit den Zwölf kleineren Propheten und zugehörigen Erläuterungen aus der sog. Glossa ordinaria wurde erst im 12. oder 13. Jh., möglicherweise in Lorsch, hergestellt. Auffällig ist das große Format fast aller 19 Handschriften, der Bücherliebhaber Laud scheint sie vor allem aus bibliophilen Gesichtspunkten ausgewählt zu haben, um eine prestigeträchtige Sammlung aufzubauen.