Augustinus Zeman: Der Neubau des Schottenstifts unter Abt Andreas Wenzel

Archiv des Schottenstifts 2014-10-20

Im Rahmen des Symposiums „Der Traum vom Kloster. Kunst und Kultur der Orden im 19. Jahrhundert“ im Stift Klosterneuburg sprach unser Stiftsbibliothekar P. Augustinus Zeman, studierter Theologe und Kunsthistoriker zugleich, am 16. Oktober 2014 zum Thema „Der Neubau des Schottenstifts unter Abt Andreas Wenzel. Ein Projekt der Aufklärung“.    

Dankenswerterweise hat er uns das Abstract seines Vortrags zur Verfügung gestellt, das wir hier wiedergeben dürfen:

Die bestehenden Konventgebäude des Wiener Schottenstifts wurden 1828–1832 nach Entwürfen von Joseph Kornhäusel erbaut. Davor war das Schottenstift ein Konglomerat von Bauteilen, die teilweise bis ins Mittelalter zurückreichten. Herzstück war ein gotischer Kreuzgang. Von hoher künstlerischer Qualität dürfte auch die Anfang der 1760er-Jahre errichtete Bibliothek gewesen sein.

Das alte Klostergebäude wurde 1828 bis auf den Grund niedergerissen. Im Kontext betrachtet, war dieser Akt äußerst merkwürdig. Sofern Klöster in Österreich noch existierten, haben sie sich – zumal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – still verhalten. Größere Baumaßnahmen gab es kaum. Eine Ausnahme bildete neben dem Schottenstift Klosterneuburg. Die beiden Projekte unterscheiden sich jedoch in einem wesentlichen Punkt: In Klosterneuburg wurde nach einem barocken Plan weitergebaut, während das Schottenstift neu konzipiert wurde. Es ist darin im Kontext seiner Zeit ein Unikum.

Die These des Vortrags besteht darin, die Ausnahmestellung des klassizistischen Schottenstifts durch die Person des Bauabtes zu erklären. Der Bau entstand unter Abt Andreas Wenzel. Wenzel wird in der publizierten Hausgeschichte mit einigen topischen Epitheta geschmückt. In Wahrheit war er eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Er war durchdrungen von den Ideen der Aufklärung und des Josephinismus. Als 1793 unter Franz II. die Reaktion einsetzte, kam er in Konflikt mit bischöflichen und staatlichen Behörden sowie mit seinem eigenen Abt. Später scheint er alles getan zu haben, um den Geruch der Revolution los zu werden. Tatsächlich erwies er sich als treuer Diener von Thron und Altar. Man könnte meinen, der ehemalige Freigeist wäre zum Funktionär geworden, hätte er nicht am Ende seines Lebens nochmals eine typisch aufklärerische Geste der Neuerung gesetzt: den Abriss und den Neubau seines eigenen Klosters.