Autographer Sentenzenkommentar des Nikolaus von Dinkelsbühl
Archiv des Schottenstifts 2015-07-01
Der Theologe Nikolaus von Dinkelsbühl (ca. 1360–1433), der an der Universität Wien studierte und lehrte, spielt für das Schottenstift keine unwesentliche Rolle, da er als als Berater des österreichischen Herzogs Albrecht V. (später König Albrecht II.) zum Motor der Melker Reform wurde, in deren Zuge es zum Auszug der Iroschotten aus dem Wiener Kloster und zur Besiedlung mit deutschen Mönchen aus Melk kam. Seine Werke finden sich in zahlreichen Handschriften des Schottenstifts aus dem 15. Jahrhundert.
Am bedeutendsten unter diesen Handschriften ist wohl unser Cod. 269 (Hübl 274), der einen Sentenzenkommentar des Nikolaus enthält: Es handelt sich dabei um ein Autograph des Autors, das dem Schottenstift zudem vom diesem selbst vermacht wurde. Erst letztes Jahr wurde die Handschrift restauriert, da es aufgrund eines länger zurückliegenden Wasserschadens zu einem kleineren Schimmelbefall gekommen war, der die Papiersubstanz (an unbeschriebenen Stellen!) angegriffen hatte.
Cod. 269 (Hübl 274)Der Sentenzenkommentar des Nikolaus von Dinkelsbühl kann als einflussreichster solcher Kommentar nach jenen des Thomas von Aquin, des Bonaventura und des Johannes Duns Scotus angesehen werden. Vor Kurzem ist ein Artikel von Monica Brinzei (Paris) und Chris Schabel (Nikosia) erschienen, der sich eingehend mit unserem Cod. 269 beschäftigt:
Die Handschrift wird darin als Nikolaus’ Arbeitsentwurf seines Sentenzenkommentars angesehen, den er für seine Vorlesung an der Universität Wien im Jahr 1399 anfertigte. Alle späteren Abschriften des Werks integrieren die in Cod. 269 enthaltenen Marginalien und die auf beigebundenen Blättern vorgenommenen Ergänzungen bereits in den Haupttext. Außerdem wird Cod. 269 als Basis einer ganzen Reihe weiterer Kommentare ausgemacht, welche die Autoren als Wiener Gruppe zusammenfassen und zu denen unter anderem auch Peter Czech von Pulkau und Thomas Ebendorfer gezählt werden.
Ausführlich beleuchtet wird im Artikel auch unser Cod. 254 (Hübl 230), behandelt werden zudem noch eine ganze Reihe weiterer Handschriften, die Brinzei und Schabel bei ihrem Besuch im Schottenstift im Jahr 2013 begutachtet haben.