Johannes Hus in der Bibliothek des Schottenstifts

Archiv des Schottenstifts 2015-07-06

Vor genau 600 Jahren, am 6. Juli 1415, wurde der böhmische Reformator Johannes (Jan) Hus am Scheiterhaufen verbrannt. Unter der Zusicherung von freiem Geleit war er zum Konzil von Konstanz (1414–1418) gekommen, um dieser höchsten kirchlichen Versammlung seine Ansichten darzulegen, die jedoch im Widerspruch zur damaligen amtskirchlichen Lehre standen. Da Hus nicht bereit war, sie zu widerrufen, wurde er vom Konzil als Häretiker verurteilt und von der weltlichen Macht hingerichtet. In Böhmen entstand in der Folge die reformatorisch-revolutionäre Bewegung der Hussiten. Von den Hussitenkriegen (1419–1434) waren auch die Besitzungen des Schottenstifts im österreichischen Weinviertel betroffen.

Die Schriften des Johannes Hus galten zwar als Irrglaube, doch hinderte dies auch die Schottenmönche nicht daran, sie zu lesen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen – was mehrere mittelalterliche Handschriften des Schottenstifts belegen. Dabei wurde die Autorenschaft Hus’ aber meist bewusst verschwiegen, wie etwa bei Cod.  45 (Hübl 44), einer Kompilation seiner Fastenpredigten, wo das Titelschild kryptisch angibt: Sermones certi quadragesimales („Predigten eines Gewissen für die Fastenzeit“).    

Ähnliches geschah beispielsweise auch in Cod. 92 (Hübl 48), einer Sammelhandschrift mit theologischen Texten:

Cod. 92 (Hübl 48), fol. 145rCod. 92 (Hübl 48), fol. 145r Sammelhandschrift mit theologischen Texten (15. Jh.)

Auch dieser Codex enthält mehrere Predigten des Johannes Hus, doch wurde jede Nennung seines Namens getilgt, hier etwa nach der Zwischenüberschrift Sequitur sermo synodalis („Gefolgt von einer Synodalpredigt“). Aus der Neuzeit findet sich am Rand die Ergänzung Pragensis („eines Pragers“), ein Hinweis auf die Wirkungsstätte Hus’.

Die beiden genannten Handschriften sind noch bis Ende August 2015 im Museum im Schottenstift ausgestellt.