750 Jahre Schottenpfarre (III): Handschriften aus der Zeit des Pfarrstreits
Archiv des Schottenstifts 2016-02-27
Zum 750jährigen Jubiläum der Schottenpfarre gibt es im Museum im Schottenstift derzeit einen kleinen Themenschwerpunkt, im Rahmen dessen nicht nur mehrere relevante Urkunden (siehe 750 Jahre Schottenpfarre (I): Ein Schiedsspruch und 750 Jahre Schottenpfarre (II): Eine Vorgeschichte der Fälschungen) sondern auch einige Handschriften aus der Zeit des Pfarrstreits bzw. der Pfarrwerdung, dem 13. Jahrhundert, zu sehen sind. Inhaltlich haben die Objekte wenig gemeinsam; es handelt sich um ein liturgisches Musikfragment, klösterliche Reformstatuten, eine Sammlung von Heiligenlegenden sowie einen Bibelkommentar. Stilistisch weisen sie hingegen durchaus Ähnlichkeiten auf – man achte auf die Details der Initialen!
Aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt dieses Fragment eines Tropars mit einem erweiternden Gesang für den Advent, den Beginn des Kirchenjahrs (Fragm. liturg. 4A). Das Tropar ist insofern bemerkenswert, als es nicht nur die Texte sondern auch die anderswo nicht erhaltenen Melodien solcher Gesänge enthält.
Fragm. liturg. 4A, fol. 1r Fragment eines Tropars zum Advent (Mitte 13. Jh.)Die Hirsauer Konstitutionen schuf Abt Wilhelm von Hirsau für sein eigenes Kloster bereits im 11. Jahrhundert, mit der Hirsauer Reform fanden sie jedoch weite Verbreitung, wie Cod. 208 (Hübl 194) aus dem 13. Jahrhundert belegt.
Cod. 208 (Hübl 194), fol. 1r Wilhelm von Hirsau: Constitutiones Hirsaugienses (13. Jh.)Etwas älter (12./13. Jahrhundert) ist diese Sammelhandschrift mit hagiographischen Texten (Cod. 189 (Hübl 147)), die also mehrere Lebensbeschreibungen von Heiligen enthält. Zu sehen ist der Beginn der von Wilhelm von Saint-Thierry verfassten Vita des heiligen Bernhard von Clairvaux, welcher in der Initiale auch dargestellt ist.
Cod. 189 (Hübl 147), fol. 40v Wilhelm von Saint-Thierry: Vita des heiligen Bernhard von Clairvaux (12./13. Jh.)Besonders prachtvoll ist dieser Kommentar zum Buch der Sprichwörter, zu Kohelet und zum Buch der Weisheit (Cod. 187 (Hübl 145)). Die illuminierte Initiale zeigt König Salomon, auf den das Buch der Sprichwörter zurückgehen soll.
Cod. 187 (Hübl 145), fol. 1v Kommentar zum Buch der Sprichwörter (13. Jh.)Ebenfalls im Museum zu sehen sind zwei Objekte, die zwar nicht aus der Zeit der Pfarrwerdung stammen, sich aber mit dem Status einer Pfarre an sich beschäftigen. Ausgestellt sind nämlich die ältesten beiden Matrikelbücher der Schottenpfarre vom Ende des 16. Jahrhunderts. Die Führung solcher Bücher über Taufen, Trauungen und Begräbnisse hängt mit dem exklusiven Recht der Pfarren auf Sakramentenspendung zusammen. Für Taufen und Trauungen wurde sie vom Konzil von Trient (1545–1563) verbindlich vorgeschrieben.
Der Themenschwerpunkt zum Pfarrjubiläum ist noch bis Ende des Jahres 2015 im Museum im Schottenstift zu besichtigen.