Strafrecht in der Frühen Neuzeit

Archiv des Schottenstifts 2016-10-08

Ab der kommenden Langen Nacht der Museen am 1. Oktober 2016 bis zum Jahresende widmet sich ein kleiner Themenschwerpunkt im Museum im Schottenstift dem Strafrecht in der Frühen Neuzeit. Das Schottenstift war bis zur Aufhebung der Grundherrschaften 1848 als Grundherr an zahlreichen Orten auch Inhaber der Niedergerichtsbarkeit, musste als solcher aber natürlich ebenso die Bestimmungen der Hochgerichtsbarkeit kennen, weshalb sich im Archiv auch landesfürstliche Gerichtsordnungen erhalten haben. Einige prominente Beispiele solcher Ordnungen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts werden nun in vier Vitrinen im Museum ausgestellt.

Anders als heute war die Zuständigkeit für das Strafrecht im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit zweigeteilt: Die niedere Gerichtsbarkeit, die geringe Delikte des Alltags betraf (z. B. Beleidigungen, Raufereien), wurde von den einzelnen Grundherren ausgeübt. Hingegen war die Hochgerichtsbarkeit über Straftaten, die mit Verstümmelung oder dem Tod bestraft werden konnten (daher auch die Bezeichnung als Blutgerichtsbarkeit oder Hals­gerichts­barkeit), dem Landesherrn vorbehalten. Ein Verfahrenselement der Hoch­gerichts­barkeit war die sogenannte „peinliche Befragung“, der Einsatz der Folter zur Erlangung von Geständnissen (von lateinisch poena = Strafe).

In der Entwicklung hin zu einem modernen Rechtsstaat stellt die Frühe Neuzeit einen wichtigen Zwischenabschnitt in der juristischen Geschichte Österreichs dar. Beschränkte sich die landesfürstliche Gesetzgebung ursprünglich noch auf die punktuelle Regelung von Einzelakten, so ist ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts eine immer umfassendere Gesetz­gebungs­tätigkeit des Landesherrn zu verzeichnen.1

Das erste kodifizierte Strafrecht des Heiligen Römischen Reichs war 1499 die Tiroler Malefizordnung Maximilians I., 1507 gefolgt von der Bambergischen Peinlichen Halsgerichtsordnung, lateinisch Constitutio Criminalis Bambergensis, die Fürstbischof Georg III. Schenk von Limpurg für das Hochstift Bamberg erließ. Beide wurden in der Folge zu wichtigen Vorlagen für die Constitutio Criminalis Carolina.

Constitutio Criminalis BambergensisScr. 25 Nr. 3 Bambergische Peinliche Halsgerichtsordnung (1507, Druck aus 1580).

Die erste Landgerichts­ordnung für Österreich unter der Enns (also für die heutigen Bundesländer Niederösterreich und Wien) wurde im Jahr 1514 von Kaiser Maximilian I. erlassen. Sie ist noch keine umfassende Kodifikation des Strafrechts, sondern stellt eher die Jurisdiktionsbefugnisse der einzelnen Stände klar und enthält somit vor allem formelles und kaum materielles Strafrecht. Die Auflistung der Delikte umfasst lediglich Malefiz-Tatbestände, jedoch keine Strafbestimmungen.

Landgerichtsordnung für Österreich unter der Enns 1514Scr. 25 Nr. 1 Landgerichtsordnung für Österreich unter der Enns (1514).

Neben dieser Landgerichtsordnung fand in Österreich unter der Enns ab 1532 subsidiär auch das Reichsstrafgesetzbuch, die Constitutio Criminalis Carolina, Anwendung. Diese Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. gilt heute als erstes allgemeines deutsches Strafgesetzbuch. Sie wurde 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg beschlossen und 1532 auf dem Reichstag zu Regensburg ratifiziert. Ihr Ziel war eine Vereinheitlichung des Rechts im Heiligen Römischen Reich; sie enthält materielles Strafrecht und vor allem Prozessrecht.

Constitutio Criminalis CarolinaScr. 25 Nr. 2 Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (1532, Druck aus 1558).

Weitere niederösterreichische Land­gerichts­ordnungen folgten zunächst 1540 und dann 1656. Diese letztere Ordnung Kaiser Ferdinands III., gemein­hin als Ferdinandea bezeichnet, war sehr umfassend und wurde daher im 18. Jahrhundert teilweise auch in den anderen österreichischen Ländern subsidiär angewandt.

FerdinandeaScr. 25 Nr. 7 Landgerichtsordnung für Österreich unter der Enns (1656, Druck aus 1751).

Am Ende der Frühen Neuzeit standen dann die ersten allgemeinen Kodifikationen, die für alle habsburgischen Erblande gelten sollten. Die 1768 erlassene Peinliche Gerichtsordnung Kaiserin Maria Theresias, lateinisch als Constitutio Criminalis Theresiana, manchmal auch als Nemesis Theresiana bezeichnet, begründete ein einheitliches Straf- und Strafprozessrecht in den österreichischen und böhmischen Ländern (nicht jedoch in Ungarn). Auch die erlaubten Foltermethoden wurden darin detailliert beschrieben und dadurch reglementiert.

Constitutio Criminalis TheresianaScr. 25 Nr. 9 Peinliche Gerichtsordnung Maria Theresias (1768/1769).

Die Abschaffung der Folter erfolgte in Österreich erst 1776 per Erlass durch Maria Theresia unter dem Einfluss ihres Sohnes Kaiser Joseph II. Mit dem von diesem 1787 erlassenen Josephinischen Strafgesetz wurde dann erstmals in allen habsburgischen Ländern die Todesstrafe im ordentlichen Strafverfahren abgeschafft.

Die Lange Nacht der Museen startet am Samstag, 1. Oktober 2016, um 18:00 Uhr und geht bis 1:00 Uhr. Allgemeine Informationen dazu finden sich auf der Webseite des ORF. Der Zugang zum Museum im Schottenstift erfolgt über den Klosterladen (Freyung 6, 1010 Wien), wo auch das Gesamtticket für alle anderen teilnehmenden Museen erworben werden kann. Darüber hinaus wird der Themenschwerpunkt noch bis Jahresende im Museum zu sehen sein.

  1. Einen guten Überblick über die landesfürstliche Gesetzgebung der Frühen Neuzeit bietet: Josef Pauser, Landesfürstliche Gesetzgebung (Policey- Malefiz- und Landesordnungen), in: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch, hg. von Josef Pauser–Martin Scheutz–Thomas Winkelbauer (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Ergbd. 44, Wien–München 2004) 216–256.