Die Gründung der Sebastianibruderschaft vor 550 Jahren
Archiv des Schottenstifts 2021-12-16
Wer um das Patronat des hl. Sebastian weiß und an dieser Stelle einen Beitrag mit Bezug zur aktuellen Pandemiesituation erwartet – sei gleich zu Beginn enttäuscht! Der Mittelpunkt des Interesses dieses Beitrags ist vielmehr die Gründung der Sebastianibruderschaft an der Schottenkirche am 16. Dezember 1471, welche sich heuer zum fünfhunderfünfzigsten Mal jährt. Die Sebastianibruderschaft war bis zur Aufhebung der Bruderschaften 1783 die älteste der an der Schottenkirche bestehenden Konfraternitäten.1 Das Gründungsdatum ergibt sich aus dem erhaltenen Statutenheftchen von 1471, das am Titelblatt alle wichtigen Eckdaten zur neu gegründeten Bruderschaft zusammenfasst:
StiA Pfarr Scho 6/01.01, fol. 1r – Statuten der Sebastianibruderschaft, Titelblatt (1471).Zunächst ist dies der Name der Bruderschaft der heiligen herrn und nothelffer sand Fabian und sand Sebastian der heiligen martrer, die also eigentlich auch dem hl. Fabian geweiht war, der dem hl. Sebastian jedoch zunehmend nachrangig war. Gegründet wurde sie von Abt Matthias Fink persönlich, der die Gründung in Absprache mit seinem Konvent vornahm. Er lag damit im Trend des 15. Jahrhunderts, das angesichts wiederkehrender Epidemien viele Kirchen- und Bruderschaftsgründungen zu Ehren des hl. Sebastian sah. Abt Matthias Fink, der auf dem Titelblatt in der Schreibung Mathias Vinkh auftritt, war einer der schillerndsten Äbte des Schottenklosters. In der späteren Rezeption wurde ihm häufig der Vorwurf der Verschwendung gemacht – trotzdem (oder gerade deswegen?) ist es seine Amtszeit, aus der uns die erste durch das Schottenstift angekaufte Inkunabel und der Schottenaltar erhalten geblieben sind.2 Und er war es auch, der durch einen Neubau des Osttrakts des Kreuzgangs zugleich die sogenannte Sebastianikapelle an der Schottenkirche errichten ließ, in der die neu gegründete Bruderschaft ihren Sitz hatte. Die Gründung der Bruderschaft selbst erfolgte laut Angabe auf dem Titelblatt am Montag vor sand Thomans tag, also dem Montag vor dem 21. Dezember, der in diesem tausent virhundert und in dem ainsundsibenczigisten jare auf den 16. des Monats fiel.
Auf den folgenden zehn Seiten des Heftchens werden die durch Matthias Fink festgeschriebenen Statuten der Bruderschaft dargelegt: Zunächst werden Organisation und Finanzen geregelt, die ein Verweser innehatte, der durch einen Ansager unterstützt wurde. Darauf folgen die Regeln für die religiösen und charitativen Aufgaben der Bruderschaft, die auch eine Verbrüderung mit dem Schottenkloster einging: So sollten die Mitglieder der Bruderschaft – Männer wie Frauen – und die Mönche des Klosters tailheftig sein und werden aller guten werch der jeweils anderen Gemeinschaft. Ebenso verpflichtete sich das Kloster zum Gebetsgedenken für jeden pruder oder swester der Bruderschaft.
StiA Pfarr Scho 6/01.01, fol. 2v – Statuten der Sebastianibruderschaft, Bestimmungen zu Verbrüderung und Gebetsgedenken (1471).Besonders gefeiert werden sollte zudem das Sebastianifest am 20. Jänner mit einer Predigt und einer vom Abt oder einem Stellvertreter gesungenen Messe. An diesem Tag sollte auch die sogenannte „Sebastianispende“ – eine charitative Zuwendung an die Armen in Form von Brot und Wein – ausgegeben werden.
Nicht erhalten ist ein erstes Bruderschaftsbuch, jedoch sind auf dem letzten Blatt der Statuten besondere Mitglieder verzeichnet (und nach ihrem Tod ausgestrichen?) worden. Dazu gehörten neben Abt Matthias Fink auch Kaiser Friedrich III. und der ungarische König Matthias Corvinus, was ein früher Reflex der Bedeutung der Bruderschaft (und ihres Gründers Fink) sein mag, die bis zu ihrem erzwungenen Ende 1783 anhielt.
StiA Pfarr Scho 6/01.01. – Statuten der Sebastianibruderschaft, Mitgliederliste (1471).- Zur Geschichte der Bruderschaften: Albert Hübl, Die Bruderschaften an der Schottenkirche in Wien, in: Berichte und Mitteilungen des Alterthums-Vereines zu Wien 50 (1918) 1–21, hier zur Sebastianibruderschaft 1–11. Hier im Blog siehe auch https://schotten.hypotheses.org/1451.
- Maximilian Alexander Trofaier, Matthias Fink, ein verschwenderischer Abt des Wiener Schottenklosters (1467–1475) und ungarischer Sekretär der österreichischen Herzoge? Eine Neubetrachtung, in: Semper ad fontes. Festschrift für Christian Lackner zum 60. Geburtstag, hg. von Claudia Feller und Daniel Luger (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 76, Wien 2020) 357–373, hier 367; siehe hierzu https://schotten.hypotheses.org/2467.