Fugging und Gaweinstal, oder: Fucking und Gaunersdorf

Archiv des Schottenstifts 2020-12-04

Genug ist genug, haben die Bewohner von Fucking beschlossen – weshalb ihr Ort, der bereits als Inspiration für eine Krimiverfilmung (Bad Fucking) und ein Bier (Fucking Hell) diente, mit Jahreswechsel in Fugging umbenannt wird, was Touristenströmen und Ortstafeldiebstählen endgültig ein Ende setzen soll.

Genug ist genug, haben sich vor etwas mehr als 100 Jahren wohl auch die Bewohner der Marktgemeinde Gaunersdorf, einer dem Schottenstift inkorporierten Pfarre, gedacht, die den Ruf satt hatten, möglicherweise eine Ansiedlung voll von Betrügern zu sein.

Gemeinsam haben die beiden leidgeprüften Orte auch, dass ihr Name eigentlich nichts mit unrühmlichen Begriffen, sondern mit Personennamen zu tun hat. So leitet sich der Ortsname Fucking, der erstmals 1070 belegt ist, eigentlich von Adalpert von Vucckingen bzw. dessen Familiennamen ab. Auch Gaunersdorf, das erstmals wohl 1246 als Guninstorf genannt wird, hat seinen Ursprung im Personennamen Gûnî, der im bairisch-österreichischen Raum mehrfach in Ortsnamen hervortritt. In der ältesten Nennung in einer Urkunde des Schottenstifts, durch welche König Rudolf I. 1280 das Patronatsrecht der Pfarre an das Schottenkloster übertrug, ist der Ort als Gaunenstorf belegt. Der Name hat sich hier bereits in Richtung des später als anrüchig empfundenen Namens Gaunersdorf entwickelt.

Urk 1280-06-06. Urkunde König Rudolfs I. vom 6. Juni 1280; in der 12. Zeile Nennung des Ortes Gaunenstorf.Urk 1280-06-06 Urkunde König Rudolfs I. vom 6. Juni 1280; in der 12. Zeile Nennung des Ortes Gaunenstorf.

Bei der Umbenennung 1917, die auf Initiative des Gaunersdorfer Pfarrers P. Constantin Vidmar geschah, war man sich der Problematik, den historisch gewachsenen Namen abzuändern, offenbar bewusst, weshalb auch die Behörde zur Bewilligung eine historisch passende Namensform verlangte. Daher wandte sich Vidmar an den Mundartforscher Johann (Willibald) Nagl, der 1875 ins Schottenstift eingetreten und hier im nächsten Jahr die Einfache Profess abgelegt hatte, später jedoch ausgetreten war. Dieser lieferte ihm aus einer der etlichen mittelalterlichen Schreibungen des Ortsnamens eine etymologisch falsche Herleitung des Namens „Gaweinsdorf“. Die zusätzliche Umbenennung von „-dorf“ in „-tal“ begründete man mit der Notwendigkeit, ein Zurückfallen zum alten Namen Gaunersdorf durch das Volk zu unterbinden, wie auch der Niederösterreichische Grenzbote in seiner Ausgabe vom 22. Juli 1917 berichtete. Die Behörde war damit zufriedengestellt – am 16. Juni 1917 wurde das Dorf der Gauner per Gesetz zum Tal des Helden der Artussage. Ein wenig musste die Wahrheit dazu freilich gebogen werden – ein Schelm, wer darin eine Gaunerei erkennt!

Pfarrer P. Constatin Vidmar in Gaweinstal (Gaunersdorf) (um 1930).Pfarrer P. Constatin Vidmar in Gaweinstal (Gaunersdorf) (um 1930).

Nachdem 1917 offenbar bereits die Assoziation mit Gaunern genügte, dem Ort einen klingenderen Namen zu verschaffen, sind es 2020 zumindest deutlich deftigere Assoziationen, derer sich die Betroffenen durch die Umbenennung entledigen wollen. Als HistorikerInnen hoffen wir trotzdem, dass das Phänomen nicht in Mode kommt und uns österreichische Orte wie Hühnergeschrei (OÖ) und Fleischessen (NÖ) erhalten bleiben. Grins (Tirol).